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Am Vortag der Abreise heisst es packen und das Rad vorbereiten. Es dauert etwas, bis ich all meine Sachen zusammen hab. Seit 2018 ist das wieder mal eine grössere Reise und brauche nach meiner Hirnblutung nun länger für alles. Aber auch ich schaffe es und bin bereit.

Die Nervosität steigt auch langsam aber ich schlafe gut. Am Morgen werde ich aber dann richtig nervös, denke ich immer wieder ob alles klappt mit der Anreise und was wenn nicht. Dann bemerke ich das der Zug von Brugg nach Basel jener ist der mit alten IC Wagen daher kommt. Da ist es schon sehr aufwendig selbst bei keinem Gepäck das Rad in den Wagen zu hieven, geschweige denn mit Gepäck. Darum nehme ich einen früheren Zug und der ist viel besser, kommt er sogar auf dem gleichen Gleis an, wie später der ICE weiterfährt. In Basel angekommen heisst es warten… und ich werde richtig nervös, klappt hoffentlich alles mit dem Verstauen des Longbikes? Es klappt und ich kann es so platzieren wie ich es mir vorstelle. Die grösste Ungewissheit ist nun weg, nun muss nur noch der Zug in Hamburg ankommen, was zunächst auch so aussieht… bis nach Frankfurt. Da beginnt das Bremsproblem mit Wagen 11. Wir stehen etwa 15min. bis es weiter geht. In Hanau, dem nächsten Halt, stehen wir 40min. wegen dem gleichen Problem. Ich, wieder mit höheren Puls, schaue schon mal wann der nächste Zug nach Hamburg fährt und rechne mir aus wann ich dann an meinem Tagesziel ankommen würde. Zur heutigen Unterkunft muss ich noch etwa 25km fahren. Zum Glück will dann der Wagen 11 wieder und wir fahren mit 55min. Verspätung weiter. Der Spuk hatte nun auch ein Ende und der Zug kann die Verspätung, bis nach Hamburg, auf 35min. kürzeren.

Langweilig ist die Fahrt auch so nicht, da ich, nebst dem bockigen Wagen 11, auch noch ein weiterer Radreisender hab und wir uns super über unser “Hobby“ austauschen können. Er fährt mit dem Zug weiter bis nach Kiel und dann mit der Fähre nach Oslo. Von da aus fährt er, mit seinem Rad, eine Runde über Trondheim und Bergen zurück nach Oslo und mit Fähre und Zug wieder nach Hause. Ich wünsche ihm an dieser Stelle viel Spass auf der Tour und viel Glück bei der Heimreise 😉

 

Ich, nun in Hamburg, suche den Weg aus dem Bahnhof und aus der Stadt. Mein geplanter Track führt nicht über diesen Bahnhof und so muss ich etwas improvisieren um auf die Route zu kommen. Die Stadt lasse ich schnell hinter mir und komme nach etwa 25km bei meiner heutigen Übernachtung “alter Bahnhof“ in Curslack an. Schnell das Zimmer beziehen und noch was essen. Schlafen tut es heute auch schnell…

 

Der heutige Tag in Stichworte gefasst, lässt sich in drei Teilen zusammenfassen:

Morgen: beschämend

Mittag: langweilig

Abend: süss

 

Zuerst starte ich den Tag mit einem Frühstück am grossen Tisch zusammen mit drei Familien und den Grosseltern. Das ist immer toll wenn man alle zusammen an einer Tafel sitzen kann, statt jeder für sich. Beizeiten fahre ich los, möchte heute ja nach Lübeck kommen was gute 100km bedeutet.

Der erste halt ist aber schon nach ein paar KM bei der Gedenkstätte des KZ-Neuengamme, welches sehr eindrücklich ist und mich zugleich auch sehr traurig macht zu lesen und sehen wie hier Menschen systematisch schikaniert, gefoltert und umgebracht wurden. Einfach beschämend zu was Menschen fähig sind und dies anderen antun. Auf einem Schild lese ich (das Lager diente u.a. auch für die Produktion von Ziegelsteine) dass die Zwangsarbeiter mit Schubkarren die Schiffe be- und entladen mussten. Dabei mussten sie die Schubkarre über ein schmales, meist glitschiges, Brett schieben. Oft vielen die Zwangsarbeiter samt Schubkarre ins Wasser. Bei der Rettung/Bergung galt die Devise zuerst die Schubkarre samt Inhalt und dann der Gefangene, wenn er noch lebte. Das hat mich geschockt und sehr mitgenommen als ich diesen Text las.

Mehr über das ehemalige KZ kannst du hier lesen: Link Wiki

Das ganze Gelände ist sehr weitläufig und so verbringe ich fast 1 ½ Stunden dort, Zeit die es allemal wert ist, jedoch mir nun für die Weiterfahrt fehlt.

 

Ich fahre weiter der Elbe entlang Richtung Lauenburg um von da den Elbe-Lübeck Kanal zu nehmen. Schlechte Idee… zuerst ist es noch gut, ich fahre durch einen Naturpark entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze mit viel Natur, aber zurück am Kanal ist es eintönig, immer das gleiche und vor allem ein miserabler Schotterweg mit vielen Steinen der das Velo immer wieder hüpfen lässt. Irgendwann habe ich genug und suche mir einen anderen Weg der erst noch direkter ist. Der ist auch nicht gut, zwar geteert, aber der führt parallel zur lärmigen Strasse was auch nicht viel besser ist, aber das schlimme sind die Wurzeln der Bäume, die auf dem Asphalt immer so hochstehende Rillen verursachen und das Velo darüber spring, das es nicht mehr schön ist. Bis Lübeck wird es nicht wirklich besser, im Gegenteil…

Lübeck ist aber schön, vor allem die Altstadt. Ich geniesse das Abendessen auf einem grossen Platz, zusammen mit einem deutschen Pärchen, das sich zu mir gesellte, da sonst alle Tische gut ausgebucht sind. Ein entspanntes Gespräch, ich mag die Norddeutschen, die sind so offen und ach, Moin.

Später hole ich mir noch ein Eis in ner Eisdiele und ich komme mit dem Besitzer ins Gespräch, auch wieder spontan und ein sehr gutes Gespräch.

Ach ja, mit dem Süssen am Abend, meinte ich das Lübecker Marzipan 😎

 

Neuer Tag und Glück in Sachen Velowege. Von Lübeck nach Travemünde gibt es 2 Velowege. Ich nehme den kürzeren, aber fahre meist an viel befahrenen Strassen entlang. Dann kommt noch ein Tunnel und wir müssen alle samt Velo in nen Bus, der uns durch den Tunnel und unter dem Wasser auf die andere Seite bringt. Travemünde selber schaue ich mir nicht an, sondern fahre gleich mit der Fähre rüber auf die andere Seite, ich will zum Meer. Und da ist es, kaum bin ich im “Osten“, geht auch schon ein Weg an den Strand dem ich entlang fahre bis das Velo im Sand stecken bleibt. Nach ein paar Fotos befreie ich das Velo wieder und fahre weiter, zunächst wieder so schlechte Wege wie gestern und dann noch durch Sand, was nur mit schieben geht. Dafür kommt schnell mal ein Imbiss-Wagen, wo ich halt mache um was zu essen… Moin, und die Sache läuft… herrlich.

Nach dem essen geht’s weiter und die Wege werden richtig gut, so das ich zügig voran komme. Zwischendurch quatschen mich andere Radreisende an, ich scheine aufzufallen mit meinem Velo 😂

 

Mit Paul unterhalte ich mich länger, während der fahrt und wir tauschen die Koordinaten aus. Er hat zwar gerade leichtes Gepäck dabei, ist aber bereits seit 2 Monaten in Südeuropa unterwegs und macht sich nun auf den Weg ans Nordkap. Später treffe ich ihn und sein Kollege wieder, als sie Pause machen und wir quatschen weiter.

 

An der Ostsee entlang hat es viele andere Radfahrer die zum Teil mehr oder weniger sicher auf dem Sattel sitzen. Das macht das fahren nicht immer einfach. In Warnemünde nehme ich das Schiff nach Rostock, wenn es dann kommt. Onlinefahrplan und derjenige vor Ort stimmen nicht überein und so kommt es dass ich das eine um 5min. verpasse und für das andere um 30min. länger warten muss als Online angegeben wird, na ja es gibt schlimmeres. Die Fahrt ist dann kurzweilig und der Captain gibt sein bestes mit Touri-Informationen.

Rostock selber lasse ich links liegen und fahre nun Richtung Süden, weg vom Meer. Die Strassen sind für den Anfang nicht schlecht und auch, wie zuvor schon, machen die Gebäude einen guten Eindruck und viele wurden saniert oder neu gebaut. Je mehr ich aber aufs Land herauskomme, ändert sich das. Die Strassen sind noch zum Teil aus DDR Zeiten, sprich wenn’s gut kommt Kopfsteinpflaster oder Unbefestigt. Und das sind Hauptstrassen. Die kleinen Dörfer sind (wie damals auch in Rumänien, liegt wohl an der Planwirtschaft) immer gleich aufgebaut, in der Mitte die Strasse, auf der Seite ein breiter Abschnitt Wiese mit unbefestigten Wegen und Bäumen und dann kommen die Häuser, die zum Teil nicht mehr so frisch aussehen. Mich dünkt es, dass sie da immer so genügend Platz einrechnen damit die Strasse mal breiter werden kann, sofern nötig.

Den finanziellen Zustupf der EU sieht man aber auch, vor allem auch bei den Fahrradwegen. Sind die inzwischen neu oder ausgebaut und auf “DDR“ Strassen muss man zum Glück nicht mehr viel fahren und wenn doch… huiiii, sehr langsam und geschüttelt und nicht gerührt. Also meistens dann schieben.

Alles in allem wurde seit der Wiedervereinigung viel Geld investiert.

Wie der Belag unter den Rädern sich wechselt, geschieht das auch mit der Landschaft. Manchmal fahre ich direkt an Hauptstrassen, manchmal alleine durch Wälder und Heidelandschaften. Radfahrer hat es nur noch wenige und mit den einen oder anderen kommt man auch ins Gespräch. So Michi, der mich bei einer kurzen Pause nach dem Weg fragt, da ich eben um eine Baustelle gefahren bin. Nach dem Gespräch hab ich eine Einladung zu ihm und der Familie, um zu übernachten. Sie wohnen in der nähe von Nürnberg was auf meiner Route liegt. Mal schauen, ob und wie es passt.

Des Weiteren darf ich noch bei Madleen, einer «alten» Bekannten, in Güstrow übernachten. Sie hat mich vor 5 Jahren (auf der Oslo Tour) zusammen mit 2 weiteren in Hamburg besucht. Das gibt immer tolle Gespräche und die Zeit verfliegt viel zu schnell.

Dann gibt es noch Begegnung der nicht so schönen Art. Mücken, zu Millionen säumen sie die mecklenburgische Seenlandschaft. Kaum steht man oder kann nur langsam fahren, setzten diese lästige Viecher auf. Zelt aufstellen wird dabei zur Herausforderung, resp. Ins Zelt hüpfen ohne dass so nen Plagegeist mit rein kommt. So ne Nacht überstehe ich und am Morgen kaum aus dem Zelt, fängt es wieder an.

 

Im Ruppiner-Wald wird es sehr speziell, alles Kiefern-Bäume soweit das Auge reicht. Bei Recherchen im Internet finde ich heraus, dass es mit dem Wald ein Riesenproblem gibt, eben wegen der Monokultur. Zum einen brennt Kiefern sehr gut und zum anderen trocknet der Boden aus. Das Problem wurde jedoch erkannt und angegangen.

Je näher ich an Berlin bin desto langweiliger wird die Strecke. Es geht nun nur noch auf Radwegen neben Autobahnen, Schnellstrassen, oder sonstige verkehrsreiche Strassen entlang. Dann sehe ich das Orts-Schild “Berlin“, aber ich fahre fast nochmals 20km bis ins Zentrum, auf Radwegen die… naja, es gibt sicher bessere und ich habe ihn einfach nicht gefunden.

Für Berlin quartiere ich mich 3 Nächte im Hotel ein, da ich mir die Stadt anschauen möchte und auch Wäsche waschen. Die letzten Tage wurde es immer wärmer und entsprechend riecht die Kleidung. Gleich am Ankunftstag finde ich eine gute Wäscherei und daneben ein Restaurant. Beim Hauptgang wird die Wäsche gewaschen und beim tumblern gibt’s das Dessert. Das Wichtigste ist nun gemacht, nun kommt das Vergnügen… Berlin etwas anschauen. Zwei Tage sind da eher kurz, aber für das nötigste reicht es.

Da es mich beim Velofahren im linken Teil vom Gesäss zwickt und sonst muskulär etwas verspannt bin, gönn ich mir gleich schon am Ankunftstag ne Thai-Massage (nicht das, was jetzt viele denken, das ist leider ein Klischee und auf ihrer Webseite haben sie das auch entsprechend erwähnt). Eine richtige Thai-Massage ist irgendwie ein Mix aus Klassischer-Massage, Phaszien-Therapie und Physiotherapie. Jedenfalls war ich am letzten Tag hier nochmals, weil es noch nicht gut war und die Dame hat ihr bestes gegeben, jedenfalls weiss ich jetzt wo die neuralgischen Stellen sind und die Knochen und Wirbel sind wieder gerichtet. Soll mal jemand sagen, man ist nicht knackig wink

Da ich Morgen wieder weiterfahre, muss ich noch Lebensmittel besorgen. Beim verlassen des Hotels stolpere ich über zwei Radreisende und es stellt sich heraus dass sie ebenfalls aus der Schweiz und sogar in der Nähe wohnen. Die beiden sind mit ihren eBikes von Stuttgart hier her gefahren.

Das Long Bike hat dann auch noch eine kleine Pflege erhalten, die Schaltung ging die letzten Tage etwas streng.

Bin nun froh das es weiter geht. Zum eine fühle ich mich erholt und zum andern sehne ich mich nach Ruhe in der Natur. So eine Grossstadt ist halt schon laut und hektisch.

 

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